Depressionen - wenn das Katastrophenzentrum Alarm schlägt

Dr. Pfitzer.jpg KLDem brisanten Thema Depressionen ging Chefarzt der Psychosomatik der Klinik St. Irmingard, Dr. Franz Pfitzer, in seinem interessanten Vortrag auf den Grund. Fünf Prozent der Bevölkerung seien davon betroffen, dass seien vier Millionen Menschen. Jeder sechste erkranke einmal in seinem Leben daran – Frauen häufiger als Männer. Die Krux sei, dass viele Patienten mit ihren Beschwerden nicht zum Arzt gehen oder der Hausarzt sie nicht als solche erkennt. „Das Fatale daran ist“, erklärte Pfitzer, „dass sie den Verlauf anderer Krankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt oder Krebs negativ beeinflussen.“ Depressionen habe nichts mit Traurigkeit zu tun, sondern sei eine Krankheit, die sich durch verschiedene Symptome wie tiefste Verzweiflung, heftige Niedergeschlagenheit, Wut auf sich bis hin zu Selbstmordgedanken. Die Betroffenen litten unter Existenzängsten, häufig unter Schuld und Scham. Sie empfinden kein Selbstvertrauen, klagen sich oft selbst an. Sie sind einfalls- und entschlusslos, sie können sich nicht konzentrieren oder schlafen und sie grübeln viel. Begleitet werden sie oft von anderen Krankheiten wie Süchte, Angst und Psychosen.
„Wie kommt das – bei Depressionen sind die Hirnregionen betroffen“, erläuterte der Mediziner. Es gebe vier Bereiche, die jeweils für bestimmte Handlungsfelder zuständig sein. Einer ist für das Gedächtnis, die Planung und Ausführung zuständig – er stehe für die Bühne des Lebens. Die nächste Hirnregion lenke die Aufmerksamkeit. Sie verglich Pfitzer mit dem Katastrophenzentrum. Der dritte Bereich, der Hippocampus gibt den Dingen eine erklärende Bedeutung – diese verglich er mit einem aufklärenden Journalisten. Die letzte Region, die Amygdala, ist die Angstzentrale des Hirns, quasi der Rauchmelder. Bei einem Depressiven spiele sich also folgendes Szenerio ab: „Die Bühne des Lebens ist dunkel, das Katastrophenzentrum ständig aktiviert, der Rauchmelder dauernd an und der erklärende Journalist ist unterentwickelt – so stellt sich die Realität eines Depressiven dar“, zeigt Pfitzer anschaulich auf. Die Patienten fühle sich dieser Situation hilflos ausgeliefert – wobei Hilflosigkeit bekanntermaßen das schlimmste Gefühl ist, was man haben kann. Denn selbst die übelste Lage werde noch gut ertragen, sobald man Handlungsspielräume habe. Weshalb seine Therapie ansetze, Gedanken und Einstellungen zu ändern. Denn die Betroffenen machten Denkfehler, da ihnen das Katastrophenzentrum ständig falsche Signale liefere, die sie zu Schwarzmalerei und zu dem Gefühl der eigenen Wertlosigkeit führe. Bei ihnen zähle vor allem, was die anderen über sie denken, um sich glücklich zu sein, müssten sie sich von allen akzeptiert fühlen, Fehler zu machen, bedeutet für sie, dass sie unfähig sind. „Das Glaubensbekenntnis eines Depressiven lautet: Ich kann nichts, ich bin nichts, keiner mag mich, ich kann nichts daran ändern, nichts wird sich zum Guten wenden und an allem bin ich selber schuld.“ Jeder könne sich vorstellen, dass wenn man dies alltäglich rauf und runter betet, das nicht ohne Auswirkungen bleibe. Dabei hätten gerade diese Menschen durchaus positive Eigenschaften. Sie seien hilfsbereit, treu, leistungsorientiert, hätten einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn sowie großes Einfühlungsvermögen. Sie stellten die eigene Persönlichkeit jedoch zurück. Bei einer anderen Variante dieser Erkrankung stehe Perfektion im Fokus der Person. Schwächen würden nicht geduldet, sie müssten alles im Griff haben. In Beziehungen zu anderen hätten sie sich aus Enttäuschung zurückgezogen, weil sie niemanden zur Last fallen wollen. In der Therapie werde zunächst geschaut, wo der Patient stehe. Stabilisation, wieder Freude zu empfinden, die negativen Gedanken zu vertreiben. Dann müsse nach Auslösern gesucht werden, denn nur weil die Symptome nachlassen, ist die Krankheit noch nicht besiegt. Gab es Trauer und Verlust oder eine neue Lebenssituation? Die Therapie bestehe aus drei Säulen: Medikamente, Therapie und der Aufbau eines sozialen Netzes.
Pfitzer betonte dabei, dass Antidepressiva nicht süchtig machten oder die Persönlichkeit veränderten. Vielmehr führten sie innerhalb von zwei bis sechs Wochen zu einer deutlichen Verbesserung; ein zu frühes Absetzen oder eine zu geringe Dosierung führe allerdings oft zu Rückfällen. Zum Thema Selbstmord warnte er: „Es ist falsch, wenn man sagt, wer es ankündigt, macht es nicht. Vielmehr ist es so, dass die meisten Menschen vorher Signale erkennen lassen.“ Falsch sei aber, dass wer sich töten wolle, auf keinen Fall mehr leben wolle. „Dahinter verbirgt sich meist ein Hilferuf“, klärte der Chefarzt auf. Angehörige müssten aufpassen, dass sie nicht in einen Sog geraten, der sie selbst depressiv mache. Sie müssten lernen, sich abzugrenzen und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Gute Ratschläge zu erteilen sie hingegen falsch, ebenso wie Durchhalteparolen – dies verstärke nur das schlechte Gewissen des Kranken. Am besten sei ein ruhiges freundliches Mitgefühl – allzu sorgenvolle Anteilnahme verstärke hingegen die Angst und Depression. Man solle authentisch bleiben, aber nicht zu viel analysieren. Gut seien gemeinsame Bewegung sowie viel Lob und Anerkennung, wenn er sich nicht depressiv verhalten habe. Das Ziel der Therapie sei, aus Menschen, die von falschen Gedanken und negativen Gefühlen überschwemmt werden, wieder Menschen zu machen, die sich ihrer Gedanken bewusst sind, diese reflektieren, die ihre Gefühl bewusst wahrnehmen und sich in Beziehungen realistisch einschätzen – so dass für beide Seiten eine positive Verbindung möglich wird.“

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